


Zwischen Bach-Motetten und Salsa
Der KNABENCHOR HANNOVER als Kulturbotschafter in Kuba
Von kubanischer Seite zeichneten für die Organisation mehrere Institutionen verantwortlich, insbesondere das Ministerium für Kultur, das Instituto Cubano de la Música (für Spielstätten und Chorbegegnungen) und die kubanische Reiseagentur CUBANACAN (Hotel, Besichtigungsfahrten, Transfers). Für die einzelnen Konzertorte (Pinar del Rio: Teatro Saiden / Havanna – Basilica San Francisco d’Asìs: Gertraud Ojeda/ Teatro Amadeo Roldan / Instituto Superior de Arte) waren Konzertveranstalter bzw. Musikdirektionen oder Kirchengemeinden (Mantanzas) zuständig.
Positiv zur Reisevorbereitung hat sicherlich auch der gute und enge Kontakt mit der kubanischen Botschaft in Berlin, vor allem mit Frau Mara Bilbao, beigetragen, die viele Fragen zur Reisevorbereitung beantworten konnte und persönlich zu einem Vorgespräch nach Hannover gekommen war.
Drei Tage vor Reisebeginn erreichte den Knabenchor die Nachricht, dass auf Grund defekter Wasser-leitungen das reservierte Hotel nicht zu beziehen sei. Die Umquartierung in ein anderes Hotel ist dann, unter Mitwirken von Herrn Hasse, problemlos von der kubanischen Reiseagentur CUBANACAN erledigt worden.
Große Unterschiede hinsichtlich der Reisevorbereitung zwischen Kubanern und Deutschen zeigten sich bereits im Vorfeld dieser Reise. Bis kurz vor Reisebeginn standen zwar die Konzerttermine, Teile des Rahmenprogramms, die Unterkunft usw. fest, nicht jedoch die inhaltliche Gestaltung der sog. Chorbegegnungen. Waren ursprünglich Workshops für kubanische Studenten des Faches Chorleitung sowie chorpraktische Workshops für einige der professionellen Chöre Kubas unter der Leitung von Prof. Breiding geplant, so wurde offenbar kurzfristig von höherer Stelle entschieden, dass die kubanischen Chöre sich mit ihren Chorleitern selbst mit eigenen Aufführungen präsentieren wollten. Auch an anderer Stelle war häufig die Flexibilität von Chor und Chorleiter gefordert: Bei einigen Konzerten hieß es plötzlich kurz vor Konzertbeginn, dass ein weiterer örtlicher Chor sich mit eigenen Werken an dem Konzert beteiligen wolle.
Auch wenn der Chorleiter diese Entscheidungen immer erst sehr kurzfristig erfahren hat, so profitierten am Ende die mitgereisten Mitglieder des Knabenchores sowie die kubanischen Chöre. Einen besseren Einblick in die jeweils hohe Qualität der Chorarbeit hätte es für beide Seiten nicht geben können. Dabei wurde auch ein wesentlicher Unterschied schnell deutlich: Während die Mitglieder des Knabenchores bei Ihrem Auftritt stets still stehen, bewegen sich die Kubaner rhythmisch zu ihren Darbietungen und das egal in welcher Altersstufe.
Diese kurzfristigen Ergänzungen bedeutete eine zusätzliche Erholungspause für die Sänger, die in Anbetracht der heißen Außentemperaturen nicht unwillkommen war.
Vielfältige Eindrücke von Kuba
Das Land Kuba bot ein eher deprimierendes Bild, von einigen restaurierten Straßenzügen einmal abgesehen. Desolate Häuser, schlechte Straßen und armselige Wohnverhältnisse prägen das Straßenbild abseits der touristischen Zentren. Unübersehbar und vor allem unüberhörbar die zahlreichen Straßenmusiker, die fast an jeder Straßenecke und zu jederzeit mit Gitarre, Claves und Maracas aufspielen – allerdings nicht zur alleinigen Unterhaltung, sondern mit dem Ziel den Lebensunterhalt durch einige konvertible Pesos der Touristenwährung aufzubessern.
Die ersten Tage gestalteten sich aus einer Mischung von ersten Besichtigungen Havannas und Chorbegegnungen mit anderen Chören wie z. B. den Coro Nacional Infantil, dem Coro Entrevoces (Leitung: Digna Guerra) und dem Ensemble für Alte Musik Ars Longa, die sich mit Werken von kubanischen und mittelamerikanischen Komponisten den Hannoveranern mit erstklassigen Vorträgen präsentierten. Positiv für den Chor wirkte sich die gemeinschaftliche Unterbringung in einem Hotel aus. Die ungewohnten klimatischen Bedingungen erforderten längere Erholungspausen, um die Konzerte und Chorbegegnungen gut durchzustehen. Leider war während der größten Zeit die Klimaanlage des Hotels defekt und bei für deutsche Verhältnisse hochsommerlichen Temperaturen, bedeutete das eine zusätzliche Herausforderung.
Auf allen Fahrten begleiteten den Chor zwei deutschsprachige Reiseleiter, die viel Landeskundliches erklärten, sich aber bei politischen Themen sehr bedeckt hielten. Zwei größere Tagesausflüge jeweils in Verbindung mit Konzerten gab es: Am Donnerstag, 13.03. ins 250 km westlich von Havanna gelegene Pinar del Rio und am Sonntag, 16.03. 200 km Richtung Osten nach Mantanzas.
Alle weiteren Konzerte fanden im Stadtgebiet von Havanna statt. Zu den Spielstätten gehörten Theatersäle, Kirchen und Aulen, die für die Konzerte des Knabenchores überwiegend gut vorbereitet waren, d. h. Chorpodeste und ein Flügel/Klavier stand bereit, es gab einen Raum zum Umziehen und in der Regel auch Erfrischungsgetränke.
Musikausbildung in Kuba
Dass die Kubaner sehr musikliebend sind, ist nicht erst seit Wim Wenders Film „Buena Vista Social Club“ bekannt. Bereits in der Grundschule ist Musikunterricht großer Bestandteil der allgemeinen Schulbildung. Dabei motiviert die Jugendlichen besonders die Aussicht auf eine internationale Karriere.
So gibt es zahlreiche Chöre, deren Anteil an Musikunterricht sie zu regelrechten Musikgymnasien macht. Allerdings ist die Nachfrage nach Plätzen an diesen Schulen viel höher, als Schüler aufgenommen werden können. Beim Besuch einer solchen Schule, der Musikschule Guilermo Tomas, waren schon auf der Straße Tonleitern von Blasinstrumenten zu hören, im Treppenhaus übte jemand auf dem Klavier eine Bach-Invention.
Die Schüler dieser Schule bereiten sich schon hier auf ein später folgendes Musikstudium an der Musikhochschule, wie z. B. dem „Instituto Superior de Artes“ vor, wo der Knabenchor am 20.03. konzertierte. Privaten Musikunterricht gibt es nur sehr selten, da dieser nicht zu bezahlen ist.
Wie schon erwähnt, erhielten die Sänger des Knabenchores Hannover einen umfangreichen Einblick in die kubanische Chorpraxis durch die zahlreichen Begegnungen mit kubanischen Chören. Diese reichten vom Chor im Kindergartenalter über diverse Schulchöre bis hin zu professionellen Ensembles wie dem Coro Entrevoces und dem Ensemble Ars Longa, Kubas einzigem Ensemble Alter Musik, das in historischer Aufführungspraxis mittelamerikanische und deutsche Barockmusik auf höchstem Niveau musizierte.
Die Begegnung mit dem Chor der Universität wurde nach dem Konzert am 20.03. noch fortgesetzt und die Kubaner lernten vom hannoverschen Chor das Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“ und revanchierten sich mit einem kubanischen Volkslied beim Knabenchor Hannover.
Tief beeindruckt war der Knabenchor als er das Konzert des Ensembles Ars Longa in der Iglesia del Paula am Karfreitagabend besuchte. Auf dem Programm des Ensembles, das aus Solistenensemble, Kammerchor und Orchester besteht, standen u. a. Werke von Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude sowie von dem mittelamerikanischen Komponisten Esteban Salas. Die Musiker spielten und sangen hochprofessionell in historischer Aufführungspraxis und auf historischen Instrumenten und waren auch schon in Deutschland und Europa auf Konzertreise zu Gast. Trotz vorheriger Nach-frage auf der kubanischen Seite, wurde der Knabenchor nicht über dieses erstklassige Ensemble in-formiert, mit dem der Chorleiter Prof. Breiding sehr gern zusammengearbeitet hätte. Sicherlich hätte der musikalische Austausch auf diese Weise noch weiter vertieft werden können, hätte man davon im Vorfeld erfahren.
Staunen bei den Kubanern
Großes Staunen herrschte allgemein darüber, dass der Hannoversche Chor ausschließlich aus Jungen und Männerstimmen besteht, eine Formation, die in Kuba so nicht bekannt ist und die Chöre entweder aus gemischten Stimmen oder überwiegend mit Mädchen besetzt sind.
Überall, wo der Knabenchor zu Konzerten oder zu den Chorbegegnungen erschien, wurde er mit großer Freundlichkeit begrüßt. Besonders hervorzuheben ist die professionelle Konzertorganisation in der Basilica San Francisco d’Asis in Havanna, in der der Chor sein zweites Konzert der Reise gegeben hat. Die ausschließlich als Konzertsaal genutzte Kirche, verfügt neben einer wunderbaren Akustik über hervorragende Konzertbedingungen, die durch die Organisation der deutschstämmige Leiterin Gertraud Ojeda möglicht gemacht wurden.
Konzerte des Knabenchores Hannover
Zwei A-Cappella-Programme hatte der Knabenchor für diese Reise vorbereitet, mit denen der Chor in sechs Theatern und Kirchen auftrat und immer wieder Auszüge aus diesen Programmen bei den zahlreichen Begegnungen mit den anderen kubanischen Chören vorstellte. Darunter Motetten von Johann Bach, Johann Ludwig Bach, als besonderen Gruß aus Niedersachsen Werke von Michael Praetorius, Psalmvertonungen von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Madrigale, deutsche Volkslieder u. a.. Zur Überraschung des kubanischen Publikums hatte der Chor eigens für diese Reise Stücke aus dem inzwischen weltweit bekannten „Buena Vista Social Club“ (darunter „Chan Chan“) einstudiert und übertraf dieses nur noch mit Kubas eigentlicher Hymne „Guantanamera“. Das Publikum spendete begeistert Applaus und hielt sich nicht mehr auf den Stühlen – eine Erfahrung für den Chor, die er bisher nur bei seiner vorletzten Konzertreise im August 2007 nach Chile gemacht hatte.
Ein Sonderkonzert gab es dann noch im Hotel, für welches die Hotelleitung sogar extra Werbung im Hause machte. Am Abend des 20.03. fanden sich rund 150 Hotelgäste (überwiegend aus Kanada, Mexiko, Spanien) in der Hotelhalle ein, um Auszügen aus den Konzertprogrammen des Chores zuzuhören. Die Auswahl der Stücke reichte von „Der Mond ist aufgegangen“ über deutsche Volkslieder bis hin zu chilenischen und kubanischen Stücken und der Beifall des international gemischten Publikums war enorm.
Die Reise endete mit einem Singen in der Ostermesse der Iglesia Jesu de Corazon. Während der Messe in der vollbesetzten Kirche erklangen sechs Stücke des Chores, die im Anschluss an den Gottesdienst noch von einigen Zugaben ergänzt wurden. Dafür erhielt der Knabenchor herzlichen Applaus und viele Komplimente von den Gottesdienstbesuchern.
Eine der größten Herausforderungen stand dem Chor dann bei seiner Rückkehr in Hannover am vergangenen Dienstag (25.03.) bevor. Neben einem herzlichen Empfang von den Familien und Daheimgebliebenen erwarteten die Reisemannschaft winterliche Temperaturen um den Gefrierpunkt und Schneeregen.
Aus Sicht des Knabenchores war diese Konzertreise nach Kuba ausgesprochen erfolgreich. Die mitgereisten Chormitglieder sammelten eine Menge Eindrücke von der Leidenschaft der Kubaner für Musik aller Art, trotz der schwierigen Lebensumstände.
Als Kulturbotschafter Hannovers, Niedersachsens und nicht zuletzt der Bundesrepublik Deutschland hat der Knabenchor zur Verbreitung der deutschen Kultur in Kuba sicherlich einen wichtigen Beitrag geleistet. Im Anschluss an die Konzerte gab es einige Gespräche mit Chorleitern, die sehr an einer Fortsetzung der Kontakte interessiert sind.
Anne Constanze Wolters
Der Reiseablauf
So, 09.03.
Abfahrt nach Frankfurt, hier Übernachtung
Mo, 10.03.
Abflug nach Havanna | 15.30 Uhr (Ortszeit) Ankunft am Flughafen Havanna
Di, 11.03.
Stadtbesichtigung Havanna
Mi, 12.03.
Besichtigung der Musikschule GUILERMO TOMAS mit kleinem Konzert
Chorbegegnung 1 mit dem Coro Nacional Infantil im Teatro Amadeo Roldan
Do, 13.03.
Abfahrt nach Pinar del Rio/ Vinales
Stadtrundgang in Vinales /Besichtigung der Cueva del Indio
Konzert 1 im Teatro Saiden in Pina del Rio
Fr 14.03.
Chorbegegnung 2 mit dem Coro Entrevoces im Teatro Amadeo Roldan
Probe in der Basilica San Francisco d'Assisi
Sa, 15.03.
Besuch der Finca von Hemingway
Konzert 2 in der Basilica San Francisco de Asis, Havanna
So, 16.03.
Abfahrt nach Varadero, Mantanzas
Konzert 3 in der Iglesia de San Pedro Versalles, Matanzas
Mo, 17.03.
Freier Tag
Di, 18.03.
Chorbegegnung 3 mit dem Chor/Ensemble Ars Longa, Iglesia San Francisco de Paula
Konzert 4 im Instituto Superior de Artes
Mi, 19.03.
Besichtigungsprogramm und Freizeit, Abends: Kanonenschusszeremonie
Do, 20.03.
Besichtigung der Schule Caturla
Konzert 5 in der Universität Havanna
Chorbegegnung 4 mit dem Chor der Universität
Sonderkonzert im Hotel
Fr, 21.03.
Probe im Teatro Amadeo Roldan, Besuch des Konzertes von Ars Longa
Sa, 22.03.
Besichtigung der Cultura Comunitaris (=kommunales Kulturzentrum)
Chorbegegnung mit kubanischen Kinderchor
Konzert 6 im Teatro Amadeo Roldan
So, 23.03.
Ostermesse in der Iglesia Jesu de Corazon
Mo, 24.03.
Abflug Havanna nach Frankfurt
Di, 25.03.
13.17 Uhr Ankunft Hauptbahnhof Hannover

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