


Zum Teil wirken sie auf mich geradliniger und direkter in ihrem Verhalten und erstaunen mich durch ihr gesundes Wettbewerbsverhalten. Zum Teil sind sie aber auch verspielter und versponnener und manchmal sogar unselbstständiger als Mädchen.
Und so ist es jedes Mal spannend, wenn sich im April nach den Aufnahmeprüfungen eine neue Gruppe formt, mit der ich es dann zwei Jahre lang zu tun habe. Sehr unterschiedlich vorgebildete Jungen kommen da zusammen, die ständige Anregungen und motivierende Hilfen brauchen, um ihre stimmlichen Anlagen zu entfalten. Denn natürlich ist das Singen in der Vorklasse eines Knabenchors der eigentliche Schwerpunkt, dem sich die anderen Gebiete wie Noten- und Rhythmuslehre unmittelbar angliedern. Der Auftrag des Gründers und früheren Dirigenten des KNABENCHOR HANNOVER, Prof. Heinz Hennig, an die Leiter der Vorklasse war von Anfang an, die Unterrichtsgegenstände kindgemäß zu vermitteln und dennoch diese begabten Jungen zu besonderen Leistungen zu führen. Dahinter stand bei ihm die pädagogische Faszination, stimmliche und musikalische Entwicklungen, die manchmal eher bedächtig, manchmal sehr rapide verlaufen, zu beobachten und zu fördern.
Dies hat meine Tätigkeit in der Zusammenarbeit mit ihm all die Jahre inspiriert. Und genau die gleichen Impulse vermittelt auch der Leiter des Chores, Prof. Jörg Breiding. Die Basis einer effizienten Vorklassenarbeit ist nach meiner Erfahrung die richtige Mischung aus Disziplin und kreativer Entfaltung. Das mag ein wenig unmodern klingen oder wird vielleicht gerade wieder aktuell.
Nur aus der Ruhe und Ordnung heraus können Kinder ihre musikalischen Fähigkeiten entfalten und lernen, das, was sie können, überzeugend zu produzieren und nach außen hin – auch vor Zuhörern – darzustellen. Auftritte der Vorklassen-Jungen im Rahmen von Feiern und Gottesdiensten sind daher erste Stationen auf dem Wege zu absoluter Sicherheit auf dem Podium, die später im Hauptchor unumgänglich gebraucht und gefordert wird. In der Vorklasse geht dies zunächst nur mit der kräftigen Hilfe und Unterstützung der Eltern. Der Austausch mit ihnen, der Austausch mit den Studierenden, die in der Vorklasse hospitieren und mitarbeiten, und – zuerst und zuletzt – der Austausch mit den quirligen und lernbereiten Jungen, die mehr oder weniger deutlich ahnen, was nach der Vorklasse auf sie zukommt, ist immer wieder belebend und erfrischend. [...]
Ursula Schnaus
Quelle: KNABENCHOR HANNOVER CHORMAGAZIN, Ausgabe 3
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